Sie springt. Ihre wilden, nassen Locken umspielen ihre mutig funkelnden Augen. Ich drehe mich weg während ich ihr meine Arme gestreckt entgegen halte. Noch glaube ich an mein Vorhaben, meine Haare dieses Mal trocken zu lassen, um nachher in der Familiendusche eine Aufgabe weniger zu haben. Sie landet sie mit einem gekonnten Platscher direkt vor meiner Brust im Wasser, wird von ihrer Schwimmhilfe wieder über Wasser gezogen, quietscht fröhlich und ruft: „Nochmal!“ und strampelt direkt wieder zum Beckenrand.

Ich nutze den Moment kurz, um mich nach meiner größeren Tochter und ihrer Freundin umzusehen. Sie schwimmen mittlerweile sicher und bewegen sich eigenständig durchs Bad. Wenn man ganz genau hinsieht, kann man beobachten, dass das Bikinioberteil langsam nicht mehr nur zu dekorativen Zwecken getragen wird. Sie sind schön. Oh man, so schön! Ich würde ihnen meinen Blick auf sie gern einimpfen, ihn irgendwie in ihr Hirn pflanzen. Und habe den Eindruck, ich kann das noch so oft sagen, es kommt irgendwie nicht an, dringt nicht durch. Meine aufrichtige tiefe Bewunderung für ihren Körper. Und ich frage mich, wie es möglich ist, dass ich das für sie so fühle und wenn ich selber vor dem Spiegel stehe nicht.

„Mama! Arm!“ ruft es mich aus meinen Gedanken und bevor  ich mich wegdrehen kann springt meine überglückliche Dreijährige wieder vor mir ins Wasser. Sie ist in ihrem Körper, sie nutzt ihren Körper, sie fühlt ihren Körper und sie hat ihn noch niemals bewertet und ist damit wohl eine der zufriedensten weiblichen Personen in diesem Becken.

Mein Blick fällt auf zwei Freundinnen, die miteinander eine Hebefigur im Wasser üben. Sie kichern und machen erste vorsichtige Testversuche. Eine von ihnen ist älter oder zumindest größer und kräftiger. Mitten im pubertären Wachstum. Und als ich sie beobachte kann ich meine eigene Fremdheit meinem Körper gegenüber und die Unsicherheit, die all diese Veränderungen mit sich brachten sofort wieder abrufen. Während ich versuche meine Tochter im Auge zu behalten, beobachte ich, wie in einem winzigen Moment die Kleinere der beiden sich, kurz bevor die Größere sie an den Hüften hochheben will, schüchtern und leise umdreht und fragt: „Bin ich zu schwer?“ In ihrer Frage liegt die Schwere einer halben Menschheit. Es ist keine sachliche Frage, die wissen möchte, ob die andere Person wohl in der Lage sein wird, ihr Gewicht zu heben. Diese Frage ist nicht das Gegenstück zu: „Bist du stark genug für mich?“ Sie fragt danach, ob sie eine zu große Last ist mit dem Platz den sie einnimmt, ob sie angepasst genug ist, ob sie ausreicht, ob sie zu viel ist. Ihre jungen, ehrlichen Augen brauchen eine Antwort auf diese Fragen.

Ich überrede meinen wilden Lockenkopf dazu zum Sprungbrett zu gehen, um der großen Schwester beim Springen zuzugucken. Mit Leichtigkeit machen sie und ihre Freundin Radschläge und Überschläge vom Sprungbrett ins Wasser. Ich weiß nicht wie sich das anfühlt. Ich habe das noch nie in meinem Leben gekonnt und habe auch nicht gedacht, dass ich es gekonnt haben könnte. Meine kindliche Einschätzung meiner Selbst hatte durch Beobachtung beschlossen, dass mein Körper dazu nicht in der Lage sein würde. Und niemand hatte widersprochen. Und wieder einmal staune ich. Jetzt nicht nur über ihre Körper, sondern über ihren Mut, über ihre Willenskraft, über ihr Selbstbewusstsein mit dem sie in Leichtigkeit Dinge tun, die zwei Generationen Frauen vor ihnen sich selbst nicht zugetraut haben.

Ich verbringe noch eine Weile damit meine Haare durch die Sprünge und Tauchversuche meiner Kleinsten mit Chlorwasser durchtränken zu lassen, nachdem ich beschlossen habe, dass das besser ist, als mich mit einem Kind in der Autonomiephase darüber zu unterhalten warum sie nicht auch vom Sprungbrett springen darf. Dann überrede ich meine kleine Bande zu einem Eis und Duschen und beobachte wie die Großen einander hilfsbereit ihre Haare gegenseitig einschäumen und sich die Rücken waschen. Was für ein liebevoller und so ungezwungener Körperkontakt zwischen ihnen herrscht. Zum Glück sieht man hier unter der Dusche nicht, warum meine Augen feucht werden. 

In der Umkleidekabine treffe ich die Hebefigur-Mädchen wieder. Die Vorpubertät hat meine Tochter mit ihrer Freundin in eine eigene Umkleidekabine verschlagen und während ich meine Kleine anziehe, lausche ich der Unterhaltung der beiden Freundinnen neben mir. „Guck mal, ich bin richtig fett.“ „Oh ja ich auch…“ höre ich, während sie sich im Spiegel neben sich ansehen. Es folgt ein Wettstreit darüber, wer sich fetter findet in dem die Hoffnung mitschwingt, dass man das „Nein ich bin dicker“ der anderen doch irgendwie glauben könnte und sich so vielleicht ein wenig aufgewertet fühlt. Ich beiße mir auf die Zunge. Ich will etwas sagen. Will alles sagen. Will weinen, will schreien, will umarmen und beschützen. Ich ziehe meiner Tochter die Socken über ihre perfekten Füße, die sie so wunderbar tragen.

Wenige Wochen später sitze ich am Esstisch mit meinen Kindern. Es geht um Aussehen und Gewicht und gesunde und ungesunde Ernährung. Ich sitze mit den schönsten Menschen des Universums zusammen und höre, wie sie beginnen an sich zu zweifeln. Ich frage, ob es den Wettstreit darüber wer dicker ist, auch in der Grundschule gibt. Ja. Ich imitiere die Stimmen meiner Schulzeit in der Mädchenumkleide: „Ich bin dick.“, „Nein, ich bin dicker.“, „Guck mal, hier nein ich.“ und meine Tochter guckt mich an als wäre ich gestern bei ihr im Sportunterricht gewesen. Alles wie immer. Nichts neues unter der Sonne. Mein Sohn hört gespannt zu, ist empört als ich von angepassten Kleidergrößen, von einer Industrie der Diätkultur und Schönheitswahn erzähle. „Wie gemein!“ sagt er. Und doch habe ich irgendwie den Eindruck, dass meine Worte zu derjenigen die sie in der Umkleide abrufen müsste, nicht durchdringen. Ich schließe meinen viel zu langen und leidenschaftlichen Monolog ab mit: „Wenn das nächste Mal dieser dumme Wettkampf übers Dicker sein losgeht, schlag doch ein neues Spiel vor: Jede sagt jeder drei Dinge, die sie an ihr schön findet.“ Was besseres fällt mir gerade nicht ein, dabei höre ich schon „Du bist so schön schlank“ durch die Umkleide hallen…

Was würde wohl passieren, wenn morgen alle Frauen aufwachen und einfach entscheiden würden, dass sie ihre Körper mögen? Was wäre, wenn ich so aufrichtig positiv über mich denken könnte wie ich über meine Tochter denke? Das klingt so unrealistisch wie meine Überzeugung einen Radschlag zu können. Und doch sehe ich, wie sie es tut. Einfach so. Es geht. Sie springt und meine Arme sind stark genug sie zu halten.

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Vielen Dank fürs Lesen und Teilen meiner Beiträge. 

Ich möchte den Blog weiterhin kostenfrei veröffentlichen. Dazu kooperiere ich mit mehreren Firmen auf Instagram und finanziere meine Arbeit durch Werbeeinnahmen. 

Heute möchte ich dir besonders die Pflegeprodukte von Ringana ans Herz legen. Alles was uns berührt wird ein Teil von uns und deshalb achte ich darauf, dass in unserer Familie Kosmetik und Pflegeprodukte frei von schädlichen Inhaltsstoffen sind. Ringana produziert fair in Europa und benutzt weder Füll- noch Konservierungsstoffe. Die Produkte bestehen aus rein natürlichen Wirkstoffen und werden in kleinen Chargen frisch produziert. Ich bin echt begeistert und wenn du dir nach dem Lesen dieses Beitrags noch etwas Gutes tun willst, dann stöbere doch mal durch den Shop:  https://honigdusche.ringana.com 

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Bis bald, deine Sarah von Honigdusche

P.s: Ich bekomme immer mal wieder Nachrichten mit Hinweisen zu Rechtschreibkorrekturen. Ich sags euch wie es ist: Wenn ich meine Texte hier mehr als einmal Korrektur lese bevor ich sie veröffentliche, bleiben sie lange liegen und mir vergeht die Freude. Wenn KI das macht, nimmt das den Texten oft das Herz. Ich weiß darum und ich hab da keine Zeit für 😉 „Better done than perfect“ ist mein Motto dabei und du darfst gern jeden Fehler den du entdeckst als Erinnerung nehmen, dass auch du gut genug bist. :-*

Eine Antwort auf „Was würde passieren, wenn wir aufhören an uns zu zweifeln?

  1. Hallo Sarah! Hier ist fast-eine-Fanpost! 😉 Erstmal bin ich ganz traurig, dass ich nächste Woche nicht in Wiedenest sein kann, da wir eine Familienfeier haben. Ich hätte dich 100% persönlich angesprochen. Ich folge dir schon echt lang bei Instragram, bekomme Blog und Brief von dir. Ich mag deinen Scharfsinn im Denken, deine Worte bewegen mein Herz, deinen Witz und deine Tiefgründigkeit. In all dem erkenn ich mich selbst ganz oft wieder… 😅 (wie war das mit dem "zu viel"😉) auf jeden Fall spricht mir so viele aus dem Herzen. Ich bin selbst Mama von drei Kindern (7,5 und 1) und darum schiebe ich qualitatives Feedback eher mal vor mir her, aber ich halte es nun mal wie du "better done than perfect " – während ich meinen Jüngsten in den Schlaf Stille (was sagt man dazu, mit Handy beim Kind … 🤔🧐) Vor allem in deinem letzten Blogeintrag hat so vieles in mir resoniert! Und ich stelle in meiner Geschichte mit meinem Körper fest, dass es auch so so viel mit Prägung zu tun hat – vermutlich überwiegend negative. Ich bin zur Hälfte Chinesin, sodass ich auch in der dortigen Kultur aufgewachsen bin – eine Kultur, in der man sich Kommentare zur Figur/Gewicht zur Begrüßung zu ruft – und unabhängig davon, ob Mann oder Frau, oder alt oder jung. In der du als deutsches, großes Mädchen mit kurviger Figur einfach auffällst. Dementsprechend hab ich schon viele Bewertungen über mich ergehen lassen müssen. (Grenzen setzen und für sich selbst einstehen ist ebenfalls so ein Ding – kollektivistische chinesische Kultur. Vor allem als Missionsarstochter mit aller christlichen Prägung, die damit zusammenhängt … du ahnst es 😃) Ein weiterer Teil dieser Prägung ist meine deutsche Oma. Sie war zeitihres Lebens dick … und am Abnehmen. Dies hat sicher das Leben ihrer drei Töchter und meiner Schwestern und Cousinen geprägt. Wie ein Mahnmal war es in meinem/unserem Kopf "nicht so dick werden wie Oma!" (Später auch "wie mama") Natürlich, wir sahen wie viel Mühe sie mit den Kilos hatte. Aber wie viel Verurteilung oder "bessere Vorsätze" waren dabei: nach den Kindern darf ich mich nicht so gehen lassen! Manches wird einem auf tragischeweise erst als Erwachsene bewusst: Sie hatte bereits mit 20 Jahren drei Kinder und mit 40 waren alle aus dem Haus. Sie "durfte" nicht arbeiten gehen – "meine Frau soll nicht arbeiten müssen" (was mein Opa oft vor seinem Tod bereut hat …. ) wie viel mehr hätte sie Selbstwirksamkeit, Bewegung, eine sinnerfüllende Aufgabe, Wertschätzung statt Diät gebraucht?! Es waren andere Zeiten. Weiterer Punkt. Als Pastorenkind eines noch dazu sehr philosophisch angehauchten Vaters, hatte alles Körperliches keinen Wert. Weder habe ich gelernt meine körperlichen Grenzen zu achten, noch meinem Körper Gutes zu tun. Weder im Sinne von Pflege, Schönes (weil, eitel) noch in Form von Bewegung, aktiv sein, sich spüren. Zeit darein zu investieren ist Verschwendung und irgendwie nicht für Gottes Reich, oder? Ach, ich könnt so viel erzählen! Ich durfte in den letzten Jahren so viel lernen und reflektieren. Ich bin Gott so dankbar! Ich bin ganz stolz, ganz früh meine Rückbildung in Angriff genommen zu haben so oft anderes liegen zu lassen um noch paar Sporteinheiten zu machen. (Allei schon gesundheitlich!) Mir geht es wirklich um einen ausgewogenen, aktiven Lebensstil, Stärke und Kraft. … und die Kilos? Ich merke, mir ist es nicht ganz egal … Mittlerweile kann ich mich selbst liebevoller anzuschauen, die Tatsache, dass der Körper das Wunder der Schwangerschaft und Geburt zustande gebracht hat, lässt mich ihn staunend anschauen und immer mehr Respekt empfinden. Aber das liebevolle Anschauen, volle Akzeptanz, ohne was auszusetzen zu haben – da bin ich noch nicht … Und nun b

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